NICHTS IST SO STABIL WIE DIE VERÄNDERUNG!

Hautkrankheiten wie der schwarze Hautkrebs, die Schuppenflechte oder die Neurodermitis haben ihren Schrecken verloren. Die rasante Entwicklung an neuen therapeutischen Ansätzen hat vor 15 Jahren eingesetzt und ist nicht mehr zu bremsen. Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (Haut- und Geschlechtskrankheiten), ÖGDV, Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer von der Dermatologischen Abteilung der Landeskliniken Salzburg über Aktuelles und Neues.

Vieles dreht sich um die Mikrobiomforschung. Warum?

Das Mikrobiom der Haut ist ein faszinierendes Ökosystem auf der Hautoberfläche, es sind Bakterien, Viren, Pilze und andere Mikroorganismen, die je nach Körperstelle anders zusammengesetzt sind. Sie wirken unermüdlich an der Schutzbarriere unserer Haut, um sie vor ungewünschten Eindringlingen zu schützen. Bei der Neurodermitis oder atopischen Dermatitis wissen wir, dass die bakterielle Besiedelung der Haut so wichtig ist. Bei Neurodermitis ist vermehrt der Keim Staphylokokkus aureus zu finden. Dieses Bakterium kann die entzündete Haut weiter schädigen. Deshalb versucht man die „normale“ Hautbarriere wiederherzustellen.

Was versteht man unter Genodermatosen?

Das sind Hauterkrankungen, wo bereits in der Erbsubstanz eine Veränderung vorliegt: so beispielsweise bei den Schmetterlingskindern, die an Epidermolysis bullosa leiden oder bei der Fischschuppenkrankheit. Die Haut der betroffenen „Schmetterlingskinder“ ist so verletzlich wie die Flügel eines Schmetterlings. Bei der Fischschuppenkrankheit ist die Haut von Neugeborenen bereits so entzündet und verhornt und erinnert an die Schuppen eines Fisches. In Salzburg gelang es uns vor circa fünf Jahren, bei einem sieben Jahre alten Schmetterlingskind die komplette Haut auszutauschen. Auf der Intensivstation wurden dem Kind alte Hautzellen entnommen und erneuert, indem ein neues Gen eingesetzt wurde. Die Behandlung war erfolgreich. Heute ist das Kind zwölf Jahre alt und kann ein komplett normales Leben führen. Der Hautersatz hat funktioniert und das war damals richtungsweisend.

Welche seltenen dermatologischen Erkrankungen sind gar nicht so selten?

Die Fischschuppenkrankheit betrifft 0,5 % der Bevölkerung, also 1:200 und ist damit gar nicht so selten. Auch die Neurofibromatose oder der Morbus Recklinghausen, eine Hauterkrankung, die durch verschiedene Anhängsel der Haut gekennzeichnet ist und die durch Nervenzellen produziert wird, ist relativ häufig, nämlich 1:3000, also 0,03 % der Bevölkerung.

Wie wichtig ist die Prävention in Hinblick auf die Entstehung von Hautkrebs?

Primärprävention ist das Wichtigste. Bei Hautkrebs kommt es auf das richtige Verhalten gegenüber der UV-Einstrahlung an. Die Sonne zu meiden, wäre das einfachste. Es ist vor allem wichtig, in der Übergangszeit und im Sommer zu bestimmten Tageszeiten nur ausreichend geschützt in die Sonne zu gehen. Sonnencremes, Kleidung, Hüte und Brillen schützen die Haut vor weißem und schwarzem Hautkrebs. Die Sekundärprävention durch regelmäßige Kontrollen der Haut beim Hautarzt ist der zweite Schritt, um sich effektiv vor Hautkrebs zu schützen. UVB-Strahlen bräunen, können Sonnenbrände auslösen, aber dringen nicht so tief in die Haut ein, sie können aber das Erbgut schädigen und Krebszellen entwickeln sich. Die UVA-Strahlen hingegen gehen tiefer hinein und schädigen dort die Haut. Sie verursachen die lichtbedingte Hautalterung. Infrarot in der Sauna oder Behandlungen mit Licht haben allerdings keine negativen Wirkungen auf die Haut.

Wie gefährlich ist weißer Hautkrebs wirklich?

Hier muss man zwischen der allgemeinen Bevölkerung und immunsupprimierten Personen unterscheiden. Bei der Normalbevölkerung ist weißer Hautkrebs zwar zeitnah behandlungsbedürftig, aber nicht lebensbedrohlich wie der schwarze Hautkrebs, das Melanom. Weißer Hautkrebs bildet keine bzw. kaum Absiedelungen und man kann sowohl Basaliome als auch Plattenepithelkarzinome sehr gut chirurgisch entfernen. Das kann jeder Hautarzt. Wenn das Immunsystem jedoch heruntergefahren wird, z.B. aufgrund einer Transplantation oder einer länger dauernden immunsupprimierenden Therapie, kann es zu aggressiveren Formen und Ausprägungen kommen.

Ist täglicher Sonnenschutz mit chemischen Filtern schädlich für die Haut?

Dieses Thema wird kontroversiell diskutiert. Auf der ÖGDV-Homepage findet sich eine aktuelle Stellungnahme der Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie, dass die Verwendung von Sonnenschutzmitteln kein krebsförderndes Risiko in sich birgt und deren Einsatz uneingeschränkt empfohlen wird (https://www.oegdv.at/). Mögliche andere umweltschädigende Aspekte, wie die Zerstörung der Riffe in den Weltmeeren, sind hier nicht berücksichtigt. Die potenziell krebserregenden chemischen Inhaltsstoffe, die Benzene, wurden aus den Präparaten entfernt. Man kann also den angebotenen Sonnenschutzmitteln durchaus vertrauen.

Heute ist das Melanom gut behandelbar. Wann gelang der Durchbruch in der Therapie?

Vor circa zehn Jahren gelang der entscheidende Erfolg in der Behandlung des Melanoms. Früher gab es keine Medikamente und die Heilungschancen waren gering. Mit der Immuntherapie, die eine körpereigene Aktivierung des Immunsystems gegen die Krebszellen ist, gelang der große Durchbruch im Kampf gegen das Melanom. Die Immuntherapie ist im Gegensatz zur Chemotherapie höchst erfolgreich. Heute können wir 50 Patienten von 100 retten und das bedeutet einen Quantensprung in der Behandlung des gefürchteten schwarzen Hautkrebses. Auch bei anderen bösartigen Krebsformen ist die Immuntherapie erfolgreich, aber nirgends so durchschlagend wie beim Melanom.

Die atopische Dermatitis oder Neurodermitis betrifft jedes fünfte Kind, sie ist die häufigste chronisch entzündliche Hautkrankheit im Kindesalter. Gibt es neue Therapien?

Ja, in den letzten Jahren wurden unglaubliche therapeutische Fortschritte erzielt. Früher bestand die Behandlung hauptsächlich aus Bädern, Cremen und Kortison. Doch heute wissen wir, dass kleine Botenstoffe im Körper und in der Haut unterwegs sind, die Entzündungen produzieren. Erst in den vergangenen fünf Jahren hat man sich dieses Wissen zunutze gemacht und in eine zielgerichtete Behandlung umgesetzt. Man kann sich das so vorstellen: Mit einem Magneten fischt man gezielt die Entzündungsstoffe aus dem Körper heraus. Ein Biologikum namens Dupilumab ist schon für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. Für Erwachsene zugelassen sind auch die sogenannten Januskinase-Hemmer.

Vitamin D gilt als Wundermittel. Was steckt wirklich dahinter? Soll man in den Wintermonaten substituieren?

Hier wird viel kontroversiell diskutiert. Große Studien zeigen jedoch, dass eine Vitamin-D-Substitution weder für das Herz-Kreislauf-System, die Krebsprävention noch für die Stärkung des Immunsystems etwas bringt. Für uns Mitteleuropäer genügt es vollkommen, wenn wir uns ausgewogen und vielseitig, möglichst regional und frisch gekocht ernähren. Bei Frauen in den Wechseljahren muss natürlich auf Knochenerweichung bzw. Knochenschwund aufgepasst werden. Dasselbe gilt für Patienten, die unter Dauerkortisontherapie stehen.

Die Schuppenflechte galt lange Zeit als schwer zu behandeln. Wohin kann sich der Patient wenden, um die neuen Biologika-Therapien zu erhalten?

Die Behandlung der Psoriasis, wie die Schuppenflechte medizinisch genannt wird, ist eine Erfolgsgeschichte in der Dermatologie. Heute erreichen wir durch die innovativen Therapien nahezu Erscheinungsfreiheit. Betroffene Patienten können sich an jeden Hautarzt, an jede Hautklinik wenden. Durch die vielen Fortbildungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, sind alle Dermatologen mit den neuen biologischen Therapien bestens vertraut. Sprechen Sie Ihren Hautarzt bei schwerer Ausprägung der Schuppenflechte oder auch im genitalen Befall ruhig aktiv auf die neuen Therapien an.

Gibt es genügend Dermatologen in Österreich?

Ja, es gibt genügend, die ÖGDV zählt über 1.000 Mitglieder. 290 davon sind Kassendermatologen. Ich würde sagen, es besteht kein Mangel, sondern eher eine geographische Fehlverteilung. Es gibt sehr viele Wahlärzte, in bestimmten ländlichen Regionen ist es sicher schwierig, einen Hautarzt mit Kassenvertrag zu finden. Vielleicht ist auch durch die Teledermatologie ein anderer Zugang zu erreichen.

Immer mehr Patienten gehen zum Hausarzt mit dermatologischen Fragestellungen?

Das ist richtig. Sehr viele Hauterkrankungen kann der Hausarzt gut erkennen und behandeln. Von 44 000 Menschen, die in Europa nach ihren Krankheiten befragt wurden, gaben etwa die Hälfte eine Hauterkrankung an, führend dabei waren Pilzerkrankungen. Unsere Medizinerausbildung in Österreich ist sehr gut. Leider ist die Ausbildung „Haut“ im Medizincurriculum seit einiger Zeit nicht mehr Pflicht-, sondern Wahlfach. Wenn man sich aber dafür interessiert, kann der in Ausbildung Stehende drei Monate Dermatologie wählen. Zudem gibt es viele Fortbildungsangebote auch für Allgemeinmediziner, man muss die Kollegen nur mit dem niedrigschwelligen Ausbildungsangebot in die Dermatologie hereinholen.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft?

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass nichts so stabil ist wie die Veränderung. Medizinisches Wissen hat sich enorm vergrößert. Wissen erweitert und verändert sich permanent. Das sieht man am Beispiel Covid-19 und an der künstlichen Intelligenz. Letztlich ist die revolutionäre Entwicklung der innovativen Medikamente nicht zu bremsen und hat im letzten Jahrzehnt zu einem Durchbruch in der Behandlung vieler Hautkrankheiten geführt. Es tut sich so viel und es wird sich noch mehr tun.

Danke für das Interview für meinehautgesundheit.at!

Unser Interviewpartner: Prim. Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer, ÖGDV

Das Gespräch führte Dr. Christine Dominkus

Foto: Rudolf Hametner