SEXUELL ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN – WAS DU DARÜBER WISSEN SOLLTEST

Einige klassische Geschlechtskrankheiten sind in den letzten Jahren wieder angestiegen. Wir sprachen mit der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, ärztliche Leiterin des Pilzambulatorium Hietzing Dr. Claudia Heller-Vitouch, Wien über die Gründe.

Was ist der Unterschied zwischen klassischen Geschlechtskrankheiten und sexually transmitted infections (STIs)?

C. Heller-Vitouch: Die vier klassischen Geschlechtskrankheiten sind Syphilis, Gonorrhoe, Ulcus molle und Lymphogranuloma venereum. Sexuell übertragbare Erkrankungen oder Infektionen, im Deutschen auch STD (eng: sexually transmitted diseases) und STI (eng: sexually transmitted infections) genannt, sind jene Krankheiten, die auch oder hauptsächlich durch sexuelle Kontakte übertragen werden können.

Welche STIs gibt es?

C. Heller-Vitouch: Sämtliche durch Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen verursachte und sexuell übertragbare Erkrankungen. Dazu zählen unter anderem HIV und AIDS, Humane Papillomaviren (HPV), Syphilis, Gonorrhoe oder Tripper, Hepatitis B, Chlamydien-Infektion, genitale Mykoplasmen-Infektion, Ulcus Molle (Weicher Schanker) . Andere Erkrankungen können durch ungeschützten Geschlechtsverkehr entstehen bzw. begünstigt werden wie zum Beispiel die bakterielle Vaginose, die Blasenentzündung, die Entzündung der Eichel beim Mann (Balanitis) oder der Scheidenpilz der Frau.

Viele Patienten wissen nicht, dass Hautärzte auch Geschlechtskrankheiten behandeln. Wieso?

C. Heller-Vitouch: Ja leider, obwohl die Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten gemäß ihrer Ausbildung die größte Expertise sowohl für die klassischen Geschlechtskrankheiten und auch für „sexually transmitted infections“ haben. Patienten, die in regelmäßiger Kontrolle bei ihrem Hautarzt sind, wissen das zumeist und kommen auch mit diesen Fragestellungen zum Facharzt für Dermatologie und Venerologie. „Venerologie“ hat nichts mit Venen zu tun, sondern heißt Geschlechtskrankheiten. Einige Patienten gehen möglicherweise zuerst zum vertrauteren Hausarzt und Frauen zum Gynäkologen; sie werden dann aber auch an uns weiter überwiesen.

Bei welchen klassischen Geschlechtskrankheiten gibt es eine Zunahme und warum?



C. Heller-Vitouch: Weltweit haben in den letzten Jahren die Gonorrhö, auch Tripper genannt und die Syphilis, deutlich zugenommen. Vor allem die nachlassende Sorge vor einer Ansteckung mit HIV, das ja heute mittlerweile gut behandelbar ist und nicht mehr als tödliche Infektion wahrgenommen wird, ist oftmals der Grund, dass auf „Safer sex“ verzichtet wird.

Gibt es konkrete Zahlen für Gonorrhö und Syphilis?



C. Heller-Vitouch: Die Syphilis zeigt seit Anfang des Jahrhunderts in Österreich und im übrigen Europa sowie in den USA einen unübersehbaren Anstieg, wobei dieser Anstieg hauptsächlich Männer betrifft. Hier spielen MSM (men who have sex with men) eine bedeutende Rolle – laut Zahlen der European Centers for Disease Prevention and Control (ECDC) für das Jahr 2018 liegt der MSM-Anteil unter den Syphiliserkrankten in Europa bei 69 %. Aber auch die Rate von Syphilis bei Frauen und damit auch jene der Syphilis, die bei der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen werden kann, steigt an. Das Syphilisscreening in der Schwangerschaft darf deshalb nicht aufgegeben werden.
Für Gonorrhoe hat ECDC für das Jahr 2018 einen Anstieg der Fälle in Europa um 22% im Vergleich zum Vorjahr erhoben. 
In Österreich besteht gemäß Geschlechtskrankheitengesetz nur eine Meldeempfehlung für die klassischen Geschlechtskrankheiten, dementsprechend sind die nationalen Zahlen nicht ausreichend aussagekräftig. Ein gleichlaufender Trend darf jedoch angenommen werden.

Skabies, also die Krätze, nimmt zu. Warum?

C. Heller-Vitouch: Skabies ist eine ansteckende Hautkrankheit, die durch Milben übertragen wird. Meist geschieht die Übertragung durch engen Hautkontakt. Weltweit sind etwa 204 Millionen Menschen von Skabies betroffen. In Österreich ist es in den letzten Jahren zu einem erheblichen Anstieg von Skabiesfällen gekommen. Für Skabies gibt es eine Reihe von Risikogruppen: Kinder sind eine unterschätzte Infektionsquelle mit einer tendenziell höheren Häufigkeit, als bei Erwachsenen. Die Skabies ist bei Kindern häufig milbenreich und sie wird oft nicht ausreichend behandelt. Rasch kommt es wieder zu intensivem Körperkontakt und somit zum Wiederaufflackern.
Immunsupprimierte und immobile ältere Personen weisen ein erhöhtes Risiko für eine Skabies auf; in entsprechenden Einrichtungen kann es zu Ausbrüchen kommen. Und letztlich sind Risikogruppen für sexuell übertragbare Erkrankungen sind auch Risikogruppen für Skabies, weil es durch intensiven Körperkontakt häufig zu Übertragungen kommt.

Thema Genitalherpes: wie beraten Sie einen Patienten, der sich mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) infiziert hat? Soll man künftige SexualpartnerInnen darüber informieren? 



C. Heller-Vitouch: Das ist eine schwierige und kontroversiell diskutierte Frage, die man nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten kann. Einerseits geht von einem Menschen, der das Herpes simplex-Virus in sich trägt, auch dann eine Ansteckungsgefahr aus, wenn gerade keine akuten Symptome da sind, besonders in den ersten drei Monaten nach der ersten klinischen Manifestation. Ein neuer Sexualpartner/-partnerin würde sicherlich darüber informiert werden wollen. Andererseits ist der Genitalherpes sehr häufig in der Bevölkerung zu finden, nämlich in bis zu einem Drittel und hat insgesamt keinen hohen Krankheitswert. Emotional ist es besonders schwierig, einen neuen Partner sofort damit zu konfrontieren. Selbst in einer jahrelangen monogamen Partnerschaft kann ein Partner, der vollkommen ohne Symptome ist, den anderen anstecken, wenn die Abwehrkräfte schwächer geworden sind – durch ein nachlassendes Immunsystem, durch das Alter, Reisen, Krankheiten oder sonstige Faktoren. In diesen Fällen sollte die Verwendung von Kondomen zum eigenen und zum Schutz des Partners selbstverständlich sein.

Raten Sie Eltern, ihre Kinder vor dem sexuellen Debüt gegen das humane Papillomavirus (HPV) impfen zu lassen?

C. Heller-Vitouch: Unbedingt! Der beste Zeitpunkt für eine HPV-Impfung ist vor dem ersten Geschlechtsverkehr. Studien zeigen nämlich, dass sehr rasch nach dem ersten Sexualkontakt eine HPV-Infektion erfolgen kann. Das Risiko ist dabei abhängig vom Alter des Partners sowie von der Anzahl seiner vorausgegangenen Sexualpartner. Auch bereits sexuell aktive Frauen und Männer können noch von der HPV-Impfung profitieren. Allerdings muss man immer darauf hinweisen, dass die Frauen auch nach einer HPV-Impfung regelmäßig beim Gynäkologen einen Gebärmutterhalsabstrich durchführen lassen, um nicht die Entstehung eines Malignoms zu übersehen.

Haben Sie für Patienten mit immer wiederkehrendem Scheidenpilz einen besonderen Tipp? 


C. Heller-Vitouch: Leider gibt es kein Allheilmittel dagegen. Die Ursache für die immer wiederkehrende Pilzinfektion ist nicht genau bekannt. Prädisponierende Erkrankungen, hormonelle Faktoren, eine genetische Prädisposition mit Reduktion des Mannose-bindenden Lektins und auch psychische Einflüsse werden in Betracht gezogen. Ein erhöhter Stresslevel konnte bei Personen mit rezidivierender genitaler Candidose nachgewiesen werden. Ob dieser jedoch ursächlich beteiligt oder doch eher Folge der sehr belastenden Erkrankung ist, konnte bisher nicht geklärt werden.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft?

C. Heller-Vitouch: Bedenken Sie immer, Sie teilen das Bett nicht nur mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, sondern mit allen dessen/deren früheren SexualpartnerInnen. Kondome schützen. Jedoch alles hat ein Ende, auch ein Kondom.

Danke für das Gespräch!

Dr. Claudia Heller-Vitouch,
ärztliche Leiterin des Pilzambulatorium Hietzing