Unverträglichkeit auf pflanzliche Naturheilmittel

Naturkosmetik liegt im Trend. Salat- und Teezubereitungen aus Pflanzen sind sehr beliebt. Naturheilmittel boomen. Pflanzenpräparate gelten als natürlich und gut verträglich, sie erfreuen sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit. Was viele nicht wissen: Auch Pflanzen und Pflanzenprodukte sind nicht immer harmlos. So kann es nach der Einnahme von Pflanzenpräparaten oder Kontakt mit Pflanzen unter bestimmten Umständen zu unvermuteten allergischen Reaktionen kommen, die oft nur durch eine eingehende allergologische Abklärung nachvollziehbar sind.

Auf die Quelle achten

„Naturheilmittel“ werden oft im Internet angepriesen und mit Erfolg vertrieben. Wie Allergolog:innen aus Erfahrung berichten, kommt es bei Personen, welche „Naturheilmittel“ aus unseriösen Quellen im Internet bestellt hatten, oftmalig zu ausgeprägten Vergiftungserscheinungen. Dr. Robert Grims von der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Graz dazu: „Es ist essentiell zu wissen, welcher Teil der Pflanze in den Zubereitungen wie z.B. in Tees angeboten wird. Handelt es sich um die Wurzel, Blätter, Blüten oder Früchte? Auch kommt es darauf an, zu welcher Wachstumszeit die Ernte erfolgte. Als Beispiele sei die Kartoffel genannt, deren Wurzelknollen genießbar, die Frucht jedoch giftig ist. Auch das Scharbockskraut, deren Blätter vormals im Frühjahr wegen des hohen Vitamin C-Gehalts als Salat gegessen wurde, entwickelt – sobald die Pflanze zu blühen beginnt – giftige Blätter.“

Natur pur?

Auch Allergien sind keine Seltenheit. Pflanzen können mit ihren Allergenen potenzielle Auslöser von Allergien sein. Wenn eine Allergie vorliegt, bedarf es in jedem Fall einer ausreichenden Menge an Allergen, um eine Reaktion auszulösen. Oft gibt es jedoch zusätzlich auch einen Kofaktor, der die Aufnahme einer ausreichenden Menge von Allergen begünstigt und somit das Auftreten der allergischen Symptomatik hervorruft. Solche weiteren Faktoren können beispielsweise Alkohol oder Medikamente sein, erklärt Dr. Grims.

Brennnessel und Co….

Dr. Grims behandelte etwa eine 59-jährigen Patientin, die wegen Kopfschmerzen 1 Tablette mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol eingenommen und 20 Minuten später einen Brennnesseltee getrunken hatte. Eine Stunde danach traten ein nesselartiger Ausschlag mit Lid-, Lippen- und Zungenschwellung, Atemnot und schließlich Blutdruckabfall auf. Einen Monat später kam es erneut zum Kontakt mit Brennnesseln und in der Folge zu einer weiteren Unverträglichkeitsreaktion mit starker Rötung und Schwellung im Gesicht und Hals, kurze Zeit nach dem Roden von Brennnesseln mit Handschuhen. In der Allergie-Ambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Graz konnte der Histamingehalt im Brennnesseltee als möglicher Auslöser der allergischen Reaktion ausgeschlossen werden. Auch die Schmerzmittel allein hatten nicht zu der heftigen allergischen Reaktion geführt. „Ursache für die ausgeprägten allergischen Reaktionen auf die Brennnessel, die in der Literatur noch nicht in diesem Ausmaß beschrieben wurden, war ein gleichzeitig eingenommener zusätzlicher Kofaktor, nämlich die Acetylsalicylsäure, die diese starken Reaktionen ausgelöst hatte“, erläutert der Dermatologe.

Üblicherweise ist die Brennnessel, welche oft als „Naturheilmittel“ angepriesen wird, eher ein Inhalationsallergen, wenn auch ein wesentlich weniger bedeutenderes als das Glaskraut, das ebenfalls zur selben Pflanzenfamilie der Brennnesselgewächse (Urticaceae) gehört und vorwiegend im Mittelmeerraum vorkommt. 

Gut gerüstet 

Im schlimmsten Fall kann es sogar – wenn auch selten – zu einer anaphylaktische Schockreaktion kommen. Darunter fallen nicht immer nur spezielle „Naturheilmittel“, sondern beispielsweise auch Obst des täglichen Gebrauchs z.B. Pfirsich, warnt Dr. Grims. Er empfiehlt daher Personen, die nach Einnahme von „Naturheilmitteln“ oder anderen pflanzlichen Produkten (vorwiegend Früchten) eine fragliche allergische Reaktion erlitten haben, sich in einer Allergieambulanz abklären zu lassen. Bei begründetem Verdacht auf eine bestehende Allergie ist immer eine Notfallsmedikation mit Antihistaminika und Kortison, eventuell sogar ein Adrenalin-Pen, bei sich zu haben.

Dr. Robert Grims, Universitätsklinik für Dermatologie, Medizinische Universität Graz
Foto: Privat