Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landesklinikum Wiener Neustadt, Leiter der AG für Biologika und Immuntherapie bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen der ÖGDV von 2015 bis 2017, erklärt im Interview, wie wichtig die richtige Behandlung bei Psoriasis ist.

Herr Doz. Müllegger, wie sieht die Schuppenflechte aus?

Die Schuppenflechte oder Psoriasis kann in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten, am allerhäufigsten finden sich bei den Betroffenen scharf begrenzte, rote und schuppende, über das Hautniveau erhabene Hautveränderungen, die vorzugsweise an bestimmten Körperstellen vorkommen wie den Streckseiten der Extremitäten, beispielsweise Ellenbögen oder Knie. Eine weitere Vorzugsstelle der Schuppenflechte betrifft den Kopf. Die Erkrankung kann sich aber auch in sogenannten delikaten oder intimen Körperregionen manifestieren, das sind der Intimbereich und die Gesäßfalte. Darüber hinaus kann die Schuppenflechte auch an den Händen, Füßen und Nägeln auftreten und das beeinträchtigt die Lebensqualität der Patienten natürlich ganz massiv.

Welches sind die subjektiven Symptome auf der Haut? Ist die Schuppenflechte mit Juckreiz verbunden?

Entgegen früherer Meinungen weiß man heute, dass die Psoriasis auch mit teilweise sehr starkem Juckreiz verbunden sein kann, wodurch die Betroffenen ganz schwer belastet sind. Der Juckreiz betrifft natürlich hauptsächlich die Körperstellen, die von der Schuppenflechte betroffen sind, aber er kann auch am ganzen Körper auftreten und daher ist es wichtig, ausreichend zu behandeln. Besonders der Juckreiz im Genitalbereich kann sehr intensiv sein und die Lebensqualität stark vermindern. Bis vor einigen Jahren hat man der Schuppenflechte im Genitalbereich nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet und das Ausmaß bislang stark unterschätzt. Jüngeren Studien zufolge ist der Genitalbereich aber viel häufiger betroffen als früher angenommen wurde, nämlich in mindestens 30 % der Fälle. Wenn der Arzt nicht konkret nachfragt, wird diese heikle Regionen von den Betroffenen aufgrund des natürlichen Schamgefühls oft nicht spontan angesprochen. Von ärztlicher Seite ist es daher ganz besonders wichtig, aktiv nachzufragen und das wird heute auch getan.

Warum genieren sich Patienten mit dieser Erkrankung so sehr?

Ganz allgemein begegnen wir in unserem Kulturkreis Menschen mit Hautveränderungen mit relativ großen Vorbehalten. Das Problem bei der Schuppenflechte sind die starken, für alle anderen sichtbaren Hautveränderungen. Die Hautareale sind von eindrücklich satten, tiefen Rötungen gekennzeichnet, die von weißlich bis silbrig glänzenden Schuppen besetzt sind. Es können sehr große Hautflächen befallen sein. Das Tragen von kurzen Ärmeln, Hosen oder Röcken macht die deutlichen Hautveränderungen für alle gut sichtbar und wird daher oft aus Schamgefühlen vermieden. Wenn die Psoriasis an den Händen, Füßen und im Gesicht auftritt, ist das für die Betroffenen sehr belastend, weil man diese Körperstellen nicht so leicht verstecken kann. Hierzulande schaut man entweder ganz auffällig hin oder ziemlich auffällig weg. Die Patienten spüren, ich bin anders, ich stehe im Fokus der Aufmerksamkeit und das spiegelt sich in der Psyche wider. Generell ist das ein Phänomen, das in Europa kulturell stärker ausgeprägt ist, als beispielsweise in den USA, wo der Umgang mit Krankheiten viel natürlicher ist und viel mehr Awareness für Krankheiten geschaffen wird.

Ist die Schuppenflechte ansteckend?
Nein, die Schuppenflechte ist keineswegs ansteckend. Doch der medizinische Laie weiß das nicht und hat eine natürliche Angst vor Ansteckung. Überhaupt scheut man sich, diese Hautareale zu berühren. All das ist psychisch sehr belastend für die Erkrankten, die sich immer mehr sozial isolieren und zum Beispiel Fitnesscenter und Schwimmbäder meiden. Auch die Partnerschaft kann darunter extrem leiden. Fast alle Patienten, die an Psoriasis leiden, sind durch ihre Krankheit seelisch belastet im Sinne von Depressionen, Ängsten und sozialer Isolation.

Ist die Schuppenflechte vererbbar?
Sicher ist, dass es eine genetische Veranlagung gibt, die das Auftreten der Psoriasis wahrscheinlicher macht. Die Psoriasis als Krankheitsbild ist nicht direkt durch ein einzelnes Gen vererbbar, jedoch die Anlage, daran zu erkranken sehr wohl. Es sind verschiedene Orte im genetischen Code betroffen, die die Grundlage für eine Auslösung durch besondere Trigger bilden. Diese Auslösefaktoren können Stress, ein Unfall, ein Trauma wie ein Todesfall, oder eine virale oder bakterielle Infektion sein. Auch durch falsche Ernährung und übermäßigen Alkoholgenuss kann die Schuppenflechte ausbrechen.

In welcher Hinsicht falsche Ernährung?

Falsche Ernährung wie zum Beispiel ein Festtagsessen; besonders fette, reichhaltige Nahrung, und natürlich ist auch Alkohol häufig mit im Spiel. Das kann einerseits die Schuppenflechte provozieren, andererseits suchen die betroffenen Menschen wegen der großen psychischen und sozialen Belastung oft im Alkohol Zuflucht. Ein Teufelskreis.

Warum ist es so wichtig, die Schuppenflechte adäquat zu behandeln?

Die Schuppenflechte ist nicht nur eine Erkrankung der Haut und Hautanhangsgebilde wie der Nägel, sondern eine systemische Entzündung. Sie betrifft bei rund einem Drittel der Patienten auch die Gelenke. Wenn die Schuppenflechte nicht behandelt wird, können die Gelenke entzündlich verändert werden und schmerzen. In einem hohen Prozentsatz ist die Schuppenflechte auch mit anderen internistischen Erkrankungen verbunden wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und der Zuckerkrankheit Diabetes. Durch die starke psychische Belastung sehen wir auch häufig bei Menschen mit Psoriasis starke Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken. Es ist wichtig, die Psoriasis ausreichend zu behandeln, nicht nur um die Haut in einen möglichst erscheinungsfreien Zustand zu bekommen, sondern um die vielen möglichen Begleiterkrankungen in den Griff zu bekommen respektive sie zu verhindern. Die Psoriasis soll und darf nicht unbehandelt bleiben, wir können sie heute effektiv mit den richtigen Maßnahmen behandeln.
Das Ziel ist nicht Heilung, sodass sie nie wieder auftritt, sondern das Ziel muss lauten, sie maximal bis optimal zu unterdrücken, sodass die Schübe nicht mehr auftreten. Es ist wichtig, die vom Dermatologen verschriebene Medikation dauerhaft anzuwenden, ein Absetzen der Medikamente wäre individuell unterschiedlich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Rückfall verbunden.

Gibt es Hoffnung am therapeutischen Himmel?

Bei der Psoriasis geht man in verschiedenen Therapieformen, je nach Schweregrad abgestuft, vor. Der Schweregrad wird durch das Ausmaß und die Intensität der Hautveränderungen ermittelt (je nachdem in welchem Prozentsatz die Haut betroffen ist). Ein wesentlicher Entscheidungsfaktor ist auch, ob bereits andere Organe als die Haut betroffen sind. Wenn zum Beispiel die Gelenke, der Stoffwechsel oder das Herz-Kreislaufsystem betroffen sind, wird man zu intensiveren Medikamenten greifen. Äußerliche Therapien sind Salben, Cremen, Lotionen oder die Bestrahlung beim Hautarzt und spezialisierten Zentren mit speziellen Spektren von therapeutischem Licht. Immunmodulierende Tabletten und moderne Systemtherapie in Form von Injektionen wirken effektiv im gesamten Körper. Es gibt in den letzten Jahren ein großes Spektrum positiver therapeutischer Entwicklungen und man kann sicherlich für jeden Einzelnen eine maßgeschneiderte Lösung finden.

Das Gespräch führte Dr. Christine Dominkus